Die Energiewende auf der Insel Astypalaia

Die Ankündigung ..

Mit großem Interesse hatte ich Anfang November 2020 die Ankündigungen gelesen, dass auf der Insel Astypalaia (Astypalea) die Energiewende vorangetrieben werden soll. Zeitgleich waren entsprechende Artikel auf elecdrive.net, in der Welt, im Handelsblatt und im Manager-Magazin erschienen und sicherlich auch in zahlreichen weiteren Medien. Die Presseabteilung des VW-Konzerns hatte ganze Arbeit geleistet.

Dem vorausgegangen war die Aushandlung einer Absichtserklärung (Memorandum of Understanding) zwischen VW und der Hellenischen Republik.

Die Schlagzeilen waren vollmundig und vielversprechend:

  • „Hier baut VW eine Insel zum Elektroauto-Paradies um“ (Die Welt)
  • „Die Insel Astypalea bekommt 1000 Elektroautos wie VW ID.3 für ein Modellprojekt“ (Manager Magazin)
  • „VW will griechische Insel auf E-Fahrzeuge umstellen“ (Handelsblatt)

Der Illustrator des VW-Konzern hat die historischen Windmühlen in seiner Vision durch (viel zu klein dimensionierte) vertikale Windkraftanlagen ersetzt. Wie kommt man auf so eine Idee? Warum sollte man eines der Wahrzeichen der Insel zerstören? An unsensibler Überheblichkeit ist die Darstellung nicht zu übertreffen. Die Medien freut es aber und sie übernehmen die Illustration kritiklos!

Noch heute kann man auf Wikipedia nachlesen, dass die „500 Pkw und Nutzfahrzeuge sowie 1000 Zweiräder, … in den nächsten beiden Jahren möglichst vollständig durch 1000 Elektrofahrzeuge von VW ersetzt werden sollen“.

Als wir im Mai für ein paar Tage einen Zwischenstopp auf Astypalaia einlegten, war ich natürlich sehr gespannt darauf zu sehen, wie sich die kleine Insel seit unserem letzten Besuch verändert hat. Ist die Energiewende auf Astypalaia schon geglückt? Gibt es inzwischen auf Astypalaia tatsächlich nur noch Elektrofahrzeuge?

.. und was daraus geworden ist.

Zunächst haben wir den Eindruck, dass sich auf Astypalaia nichts geändert hat. Ab und an sieht man die typischen E-Fahrzeuge von VW, den ID 3 und den ID Buzz. Die große Mehrzahl der PKWs sind aber immer noch Verbrenner. Wie auf anderen Inseln sind außerdem zahlreiche Mopeds und Roller unterwegs. Große Teile des Hauptortes Chora, inclusive der Altstadt, sind für Autos gesperrt oder mit Autos nicht befahrbar, weshalb zahlreiche Einwohner auch auf Astypalaia das motorisierte Zweirad bevorzugen.

Davon, dass es auf der Insel nur noch Elektrofahrzeuge gibt, kann also nicht die Rede sein. Zugegebenermaßen sind aber mehr E-Fahrzeuge unterwegs als sonst in Griechenland.

Ins Auge fallen uns dann die großen, auffällig grüngelb und weiß lackierten Fahrzeuge mit der Aufschrift AstyBus, die wir mehrfach am Hafen und bei den Windmühlen (Chora) sehen. Was es damit auf sich hat bleibt zunächst im Dunkeln. Auch die Polizei und die Küstenwache fahren mit einem, für griechische Verhältnisse modernen, E-Fahrzeug über die Insel.

Eine offizielle Seite der Gemeinde gibt es leider nicht und der Informationspunkt in einer der Windmühlen ist Mitte Mai geschlossen. Nach einigen Recherchen im Internet bin ich schließlich auf die AstyMove-App gestoßen. Mit ihrer Hilfe kann man wohl AstyBus und AstyGo benutzen.

Bei AstyGo handelt es sich um einen Carsharing-Dienst. Das wäre eine Alternative für unsere Inselrundfahrt gewesen. Leider muss man lange suchen, bis man darauf kommt.

AstyBus und die AstyMove App

AstyBus ist ein Bedarfsbus. Er ersetzt auf der Insel die bisherige klassische Buslinie. In der AstyMove-App werden von Livadia bis Analipsi 27 Haltepunkte angezeigt. Dazu gehören z.B. auch der Tzanaki Beach, Trito Marmari Beach, die beiden Fährhäfen und der Flughafen. Über die App erfährt man, wann der nächste Bus fährt und kann einen Platz die Fahrt reservieren. Auch die Bezahlung soll angeblich über die App erfolgen.

Das hört sich doch sehr interessant an. Eine Fahrt vom Hafen zu den Windmühlen würde uns den Aufstieg vom Hafen zum Kastro am nächsten Tag erheblich abkürzen. Deshalb installiere ich die App und fing an einen Account einzurichten. Zuerst muss ich eine eMail-Adresse und Passwort angeben. Das ist bei allen Providern so und geht schnell. Dann geht es aber weiter. Nach den Fragen zu meinem Namen, Geburtsdatum und Wohnort möchte die App ein Selfie von mir haben, na ja. Danach soll ich auch noch die Vorder- und Rückseite meines Ausweises fotografieren, das geht mir dann aber doch zu weit.

Andere Apps sind bei weitem nicht so wissensdurstig wie AstyMove. Wozu dient dieser Datenwahnsinn? Die Datenschutzerklärung und die Nutzungsbedingungen, denen ich ganz am Anfang zustimmen musste, gibt es nur auf Griechisch! Offensichtlich liegt ein großes Misstrauen gegenüber dem User vor. Ich dagegen misstraue dem spanischen Betreibern der App, Giravolta, der mit meinen Daten machen kann was er möchte und breche an dieser Stelle die Einrichtung des Accounts ab. Wie die Fahrten bezahlt werden könnten erfahre ich deshalb nicht mehr.

Die Fahrt mit dem Bus ist somit ausgefallen. Das es auch Touristen auf der Insel gibt, die unkompliziert von A nach B kommen möchten, daran haben die Planer wohl nicht gedacht. Schade, so wird die Energiewende auf Astypalaia leider nicht beflügelt.

Unsere Fahrt über die Insel

Auf der Insel Astypalaia gibt es an ausreichend vielen Stellen Ladesäulen für E-Fahrzeuge. Manche Säulen waren abgedeckt, ohne erkennbaren Grund. Dass Fahrzeuge dort geladen werden haben wir aber nicht gesehen. Wozu wurde in so viele Ladesäulen investiert?

Bei der Fahrt über die Insel sind uns auch keine Windkraftanlagen oder größere Photovoltaikanlagen aufgefallen. Eigentlich unverständlich, denn die Insel hat immer noch große Flächen, wo niemand wohnt, auch kaum Landwirtschaft betrieben wird und der Bau solcher Anlagen deshalb dort nicht stören könnte. Sonne und Wind gibt es in der Ägäis genug. Warum diese Energie nicht viel intensiver genutzt wird ist mir schon lange schleierhaft. In der benachbarten Türkei sind mir schon vor 20 Jahren die zahlreichen Anlagen zur Erwärmung des Brauchwassers auf den Dächern der Wohnhäuser bemerkt.

Es fährt ein Zug nach nirgendwo ..

Auf der Fahrt von Analipsi nach Vathi kommt eine weitere Überraschung. Die Straße wurde 2016 ausgebaut und anschließend asphaltiert. Acht Kilometer hinter Analipsi und 600 Meter vor den ersten Häusern von Vathi hört die beste Straße der Insel im Nirgendwo urplötzlich auf. Weiter geht es nur auf einer Schotterpiste. Was ist denn das?

Gerade hatten wir Arbeiter gesehen, die mit der Überholung der Fahrbahnrandmarkierung beschäftigt waren. Über acht Kilometer wurden die Reflektoren am Fahrbanrand abgeklebt, dann wurde die Markierung erneuert und nun wurden die Klebebänder wieder entfernt. Perfektion über acht Kilometer für eine Handvoll Fahrzeuge. Danach braucht man weder Asphalt, Leitplanken oder Fahrbahnmarkierungen?

Einziger Lichtblick den wir entdecken können ist die Einbeziehung des E-Scooter von SEAT in das Programm von astyMove, der ein besonderes Sponsoring aber gar nicht nötig hat. Auch auf anderen Inseln fallen uns immer wieder fast lautlose Roller auf, die mit ihrem Konzept, der Wendigkeit und Anzugskraft den Bedürfnissen der Bevölkerung offensichtlich entgegenkommen.

Auf der Seite https://smartastypalea.gov.gr/progress/ werden die Erfolge des Projektes zur Energiewende auf Astypalaia gefeiert, aber seit einem Jahr gibt es dort nichts Neues. Verläuft das Projekt jetzt im Sand?

Das vorläufige Fazit zum Thema Energiewende auf der Insel Astypalaia fällt für uns zunächst sehr ernüchternd aus. Sehr vielen Ankündigungen folgte bisher wenig Umsetzung.

Wie geht es wohl weiter?

Bei weiteren Recherchen bin ich auf einen Artikel von motorline.cc gestoßen. Dort wird berichtet, dass „die Zahl der E-Fahrzeuge .. innerhalb kurzer Zeit von null auf 84 gestiegen“ ist. Ein konkretes Ergebnis immerhin, aber verglichen mit den vollmundigen Ankündigungen ist das nicht viel wenn man bedenkt, dass viele Fahrzeuge an die Behörden gingen, an AstyBus und AstyGo. Die genannte Zahl bestätigt dabei auch unseren persönlichen Eindruck den wir auf Astypalaia gewonnen haben. Von dem Ziel 1500 Fahrzeuge auszutauschen ist man also noch sehr weit entfern.

In einem Bericht der Deutschen Welle vom 12.11.2022 kommt Nikos Kountunis zur Sprache. Er äußert, dass er für die Schotterpisten, von denen es auf der Insel sehr viele gibt, einen Geländewagen bevorzugen würde. So ein Fahrzeug steht derzeit von VW noch nicht zur Verfügung und wird dementsprechend auch nicht mit bis zu 12.000 Euro subventioniert, wie in der Welt zu lesen war. Der Bericht benutzt viel Bildmaterial des VW-Konzerns und verstärkt dadurch die Illusion, auf Astypalaia gäbe es nur noch E-Mobilität. Ebenso fehlt ein kostengünstiger Pickup, der häufig im Bereich von Gewerbe und Landwirtschaft zum Einsatz kommt. VW plant den Aufstieg in die Oberklasse, Fahrzeuge für den kleinen Geldbeutel überlässt man lieber den Chinesischen Herstellern. Dass das Lohnniveau in Griechenland nicht mit dem in Deutschland vergleichbar ist, wurde bei der Planung anscheinend großzügig ausgeblendet.

Mein persönlicher Eindruck vom Stand der Energiewende auf Astypalaia

Die Erzeugung regenerativer Energie auf der Insel hinkt hinter den euphorischen Plänen erheblich hinterher. Das wäre aber eine wichtige Voraussetzung, um die Energiewende auf der Insel Astypalaia tatsächlich zu realisieren. Meines Erachtens geht die Planung von VW an den Bedürfnissen der Bevölkerung vorbei. Im DW-Bericht kommt zur Sprache, dass die Insel mit Wasserknappheit und mit Müllproblemen zu kämpfen hat. Nachhaltigkeit braucht mehr als ein paar Fahrzeuge mit Elektromotor. Es ist noch ein weiter Weg. Wir sind gespannt und werden die Insel sicherlich bald erneut besuchen und berichten dann eneut.

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2 Kommentare

  1. kokkinos vrachos

    Moin Elke und Stefan, vielen Dank für euren interessanten Artikel.

    Ich habe die Dodekanes-Insel Astypalaea im April 2014 besucht und bin nach den dutzenden Medienberichten/Öffentlichkeitsöffensive von VW ab 2020 auch sehr skeptisch gewesen.

    Glaubt man dem Tourismus-Staatssektretär Manos Konsolas wird auf Astypalaea nicht nur der gesamte kommunale Fuhrpark auf Elektro umgestellt, sondern ein neuer Jachthafen, Verbesserung der Abfall- und Abwasserversorgung und der Umstieg auf erneuerbare Energie sind geplant ( Ekathimerini am 03.11.2020).

    Der Umstieg auf erneuerbare Energie, bedeutet für die griechischen Inseln (aktuell Tinos, Amorgos, Astypalaia, Skyros und Kreta), die Installation von Windkraftanlagen/Windparks. Die Windparks sind ein großer Eingriff in die noch unberührte Natur und zerstören das Landschaftsbild der Insel.

    „Wir haben von unseren Eltern eine Insel geerbt und werden unseren Kindern kein Industriegebiet hinterlassen.“
    Bürger von Astypalaia

    „Wir sind keine Insel Insel des Massentourismus, sondern ein Ort, den man wegen der Natur und seines sanften Charakters besucht, und wir wollen, dass das so bleibt.“
    Bürgermeister Nikos Komineas, Astypalaia

    „Meines Erachtens geht die Planung von VW an den Bedürfnissen der Bevölkerung vorbei. Im DW-Bericht kommt zur Sprache, dass die Insel mit Wasserknappheit und mit Müllproblemen zu kämpfen hat. Nachhaltigkeit braucht mehr als ein paar Fahrzeuge mit Elektromotor. Es ist noch ein weiter Weg. Wir sind gespannt und werden die Insel sicherlich bald erneut besuchen und berichten dann eneut.“

    Das sehe ich auch so.
    Wasserknappheit ist auf vielen griechischen Inseln ein Problem.
    Seit Jahren gibt es auf Astypalaia für die Müllentsorgung und Recycling keinerlei Konzepte durch Regierung und lokale Behörden. Der gesamte Müll wird auf eine einzige Deponie gekippt. Es fehlt an ganzheitlichen und langfristigen Maßnahmen, nämlich ein tragfähiges Abfallwirtschaftskonzept. Einen Plan B scheint es aber nicht zu geben. .
    Immerhin gibt es eine Kläranlage.

    Die konserative ND-Regierung von Mitsotakis sollte lieber medizinisches und pflegerisches Personal und Lehrer auf die Inseln schicken, Feuerwehr/Katastrophenschutz ausbauen, um die Grundbedürfnisse der Inseln zu befriedigen.
    Die Regionalregierung der Dodekanes sollte auf einen sanften nachhaltigen ökologischen Tourismus setzen.

    Kaló Chimóna (Καλό χειμώνα) – einen guten Winter, kv

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